Wo bleibt das Kindeswohl?
Immer mehr Minderjährige, die ohne Eltern auf der Flucht sind, erreichen Deutschland. Laut Bundesfamilienministerium gab es 2006 noch 602 und im Jahre 2013 bereits 6584 Inobhutnahmen. Weitere Steigerungen sind die nächsten Jahre zu erwarten.
Diese unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sind aufgrund ihrer besonderen Situation besonders schutzbedürftig. Sie sind oftmals über Monate auf der Flucht, in der Regel traumatisiert und zudem ohne elterliche Begleitung. Gleichzeitig stellt ihre steigende Zahl die Jugendhilfe zunehmend vor Probleme. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden bisher an dem Ort, wo sie aufgegriffen werden, vom zuständigen Jugendamt in Obhut genommen. Dieses bringt sie in der Regel in einer Einrichtung der Jugendhilfe unter und bestellt unverzüglich einen Vormund. Die regionale Betroffenheit ist dabei sehr unterschiedlich: Die fünf zugangsstärksten Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern, Berlin und Hamburg nehmen 66 Prozent der Jugendlichen auf. Großstädte wie München, Hamburg, Berlin, Stuttgart und Köln sind betroffen und stehen angesichts der steigenden Zahlen vor einer großen Herausforderung.
Das Bundesfamilienministerium arbeitet deshalb an einem Gesetzentwurf mit dem Ziel einer bundesweiten Verteilung analog dem Königsteiner Schlüssel, der die Aufnahmequoten für Asylbewerber regelt. Damit sollen die Belastungen gerechter verteilt werden.
Nicht die Kinder, sondern die Kosten besser umverteilen
Aus Sicht der Caritas muss der zentrale Aspekt im Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention sein. Die steigenden Flüchtlingszahlen bringen die aufnehmenden Kommunen in Notlagen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass erfolgreiche, gut funktionierende und dem Kindeswohl dienende Verfahren nicht mehr greifen. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum für eine gerechte Lastenverteilung anstelle der Finanzen die Kinder und Jugendlichen selbst umverteilt werden sollen. Ich befürchte, dass eine solche Verteilung unerfahrene Kommunen und Jugendämter vor große Probleme stellt und den Schutz dieser besonders schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen schwächt.
Die Verteilung womöglich gegen den Willen der Betroffenen macht für diese einen wiederholten Neuanfang nötig und das, obwohl viele bereits eine gefahrvolle, strapaziöse Flucht mit traumatischen Erlebnissen hinter sich haben. Die Verzweiflung und der Schmerz der Entwurzelung werden dadurch unnötig verlängert.
In einem reichen Land wie Deutschland mit klar geregelten Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe muss es möglich sein, den jungen Menschen eine Zukunftsperspektive zu bieten, ohne bewährte Standards der Jugendhilfe infrage zu stellen. Erforderlich ist eine intensive fachliche Debatte darüber, wie die Kosten für die Betreuung der jungen Flüchtlinge gerechter verteilt werden können.