Wir brauchen das Gespräch
Jeden Montag sieht man ihre Bilder: demonstrierende Menschen in Dresden, mittlerweile auch in Leipzig. Seit Oktober 2014 demonstrieren Tausende unter dem Kürzel Pegida. Zeitgleich sammelt sich ein breites Bündnis zu Gegendemonstrationen und Mahnwachen.
Am Beginn der Pegida stand die Abwehr von Zuwanderern, die wegen der weltweiten Krisen zu uns kommen. Inzwischen herrscht eine diffuse Unzufriedenheit mit fast allem, was durch die Politik gestaltet wird. Seit Wochen bemüht man sich um eine Deutung. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass es in Ostdeutschland über viele Jahre wenig persönliche Kontakte zu Ausländern gab und dass das zunächst Fremde eher als Bedrohung des Hergebrachten denn als Bereicherung gesehen wird. Das Gefühl des Heimatverlustes, Ängste vor dem eigenen Abstieg und der Eindruck persönlicher Ohnmacht mögen eine Rolle spielen. Die geringe Wahlbeteiligung bei den jüngsten ostdeutschen Landtagswahlen gilt als ein Beleg dafür.
Tatsächlich erleben wir derzeit eine große Rat- und Sprachlosigkeit bei sächsischen Politikern. In gewisser Weise geht es den Kirchen in dieser Frage nicht anders. Am Pegida-Protest nehmen Christen beider Konfessionen teil. Zugleich engagieren sich Christen in den Friedensgebeten und bei den Gegendemonstrationen. In vielen Familien, in Pfarrgemeinden und auch in mancher Caritaseinrichtung werden die Themen kontrovers diskutiert.
In der Mitgliederversammlung unseres Diözesan-Caritasverbandes gab es ein deutliches Votum, in dieser aktuellen Frage öffentlich Haltung zu bezeugen. Die Caritas steht für die Menschenrechte von Flüchtlingen, ihre Aufnahme und Integration in unsere Gesellschaft. Die örtlichen Caritasverbände in Dresden, Leipzig und Chemnitz leisten aktiv Sozialarbeit für Flüchtlinge. Ehrenamtliche aus katholischen Pfarrgemeinden übernehmen Patenschaften. Die Caritasstiftung des Bistums Dresden-Meißen hat Ende 2014 mit ihrem Sozialpreis eine solche bemerkenswerte Initiative der Pfarrei Borna ausgezeichnet. Das Bistum stellt finanzielle Mittel zur Verfügung, die den Neuankömmlingen als Starthilfe ausgehändigt werden. Das trägt zu der oft beschworenen Willkommenskultur bei.
In der politischen Debatte gilt es, für eine weltoffene, tolerante Gesellschaft einzutreten. Jede Form von Fremdenfeindlichkeit ist abzulehnen. Zugleich brauchen wir das politische Gespräch - gerade da, wo Ängste vor der Zukunft bestehen. Wenn die Demonstranten heute den Ruf "Wir sind das Volk" benutzen, dann ist daran zu erinnern, dass 1989 für eine freie Gesellschaft gekämpft wurde. Freiheit ist das Gegenteil von Abschottung und Abgrenzung. Die in einer offenen und 1989 von uns erstrittenen Gesellschaft immer wieder anstehenden Veränderungen müssen wir mit Verantwortungsbereitschaft gestalten. Das ist ein Lernprozess, nicht nur in Dresden, sondern überall in der Bundesrepublik. Die Caritas sollte sich daran beteiligen - mit all den Erfahrungen, die sie in ihrer Arbeit für Menschen in Not macht.