Viertagewoche im Sozialen?
Wir betreten die Bühne des aktuellen und vor allem künftigen Arbeitsmarktes in Deutschland. Wir dürfen feststellen, dass wir inzwischen nicht nur in vielen Bereichen über einen Fachkräftemangel sprechen, sondern über einen stetig steigenden Arbeitskräftemangel. Es ist davon auszugehen, dass wir bis zum Jahr 2035 rund 30 Prozent weniger Arbeitskräfte in Deutschland zu erwarten haben - durch die Verrentung der Babyboomer-Generation und eine entsprechende Nettoabwanderung aus der Bevölkerung.
Vor dieser Kulisse wird vielfach die Viertagewoche als geeignetes Arbeitszeitmodell ins Spiel gebracht, um die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden zu heben und deren Belastung zu mindern. Das mag unbestritten in einigen Branchen und ausgewählten Arbeitsbereichen der Caritas ein probates Mittel sein. Hier müssen aber auch die Rahmenbedingungen passen.
Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen mit einer Viertagewoche im Sozial- und Gesundheitswesen wurde jüngst auf einer Konferenz der Ortscaritasverbände auf Bundesebene von jungen Politiker:innen eingebracht. Natürlich sollte das Ganze auch bei vollem Lohnausgleich umgesetzt werden.
Ist das realitätstauglich? Ist zu erwarten, dass solche Vorschläge und Erwartungen künftig in gesetzliche Verpflichtungen für die Dienstgeber münden? - Ähnlich wie Homeoffice-Verpflichtungen zu Coronazeiten?
Angesichts der skizzierten Zukunftsprognosen würden solche politischen Vorschläge zum einen dazu führen, dass 20 Prozent der Arbeitskapazitäten dem Arbeitsmarkt entzogen werden - ohne dass hierfür Ersatz "organisierbar" wäre. Und dies betrifft insbesondere mindestens alle stationären Einrichtungen der Altenhilfe, Jugendhilfe und Behindertenhilfe und vermutlich viele weitere. Also all die Bereiche, wo es um die 24-Stunden-Begleitung in allen grundlegenden Belangen geht.
Zum anderen führt die Erwartung des vollen Lohnausgleichs zu einer Tarifanhebung von 20 Prozent. Unter Berücksichtigung, dass wir in der aktuellen Tarifrunde inklusive aller Vergütungsgruppenanpassungen Lohnsteigerungen von zehn bis 15 Prozent einzupreisen haben, bleibt die schlichte Frage übrig, wer diese Kostensteigerungen künftig zu stemmen hat. Nämlich genau die Generation, die solche politischen Forderungen ins Spiel bringt.
Als Lösungsschritte sind als Erstes sicherlich Augenmaß und Differenzierung nötig. Und wir werden an vielen Stellen über inhaltliche und bürokratische Standards sprechen müssen.