Verdi oder der Dritte Weg
"Verdi steht zu 100 Prozent zum Dritten Weg!" In postfaktischen Zeiten könnte man diese Meldung mal einfach so absetzen. Aber was ist dran? Verdi braucht Mitglieder! Zur Mitgliederwerbung scheint jedes Mittel recht. So hat die Gewerkschaft Anfang des Jahres eine bundesweite Aktion gestartet und ruft auch katholische Krankenhäuser zu Tarifverhandlungen auf. Verhandeln will sie über einen Tarifvertrag Entlastung. Die Gewerkschaft fordert mehr Personal, verlässliche Arbeitszeiten und einen Belastungsausgleich. Hat sich Verdi da nicht in zweifacher Weise beim Adressaten geirrt? Erstens ist es Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Krankenhäuser ausreichend Personal anstellen und bezahlen können. Zweitens sind katholische Krankenhäuser an den kirchlichen, verfassungsrechtlich geschützten Weg gebunden.
Nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes sind Tarifverträge mit Gewerkschaften explizit ausgeschlossen. In Artikel 7 Absatz 2 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse ist geregelt: "Wegen der Einheit des kirchlichen Dienstes und der Dienstgemeinschaft als Strukturprinzip des kirchlichen Arbeitsrechts schließen kirchliche Dienstgeber keine Tarifverträge mit Gewerkschaften ab. Streik und Aussperrung scheiden ebenfalls aus." In Kommissionen, die zu gleichen Teilen durch Dienstnehmer und Dienstgeber besetzt sind, werden alle arbeitsvertragsrechtlichen Angelegenheiten verhandelt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen letzten Urteilen den Dritten Weg bestätigt, aber gleichzeitig eine Beteiligung der Gewerkschaften angemahnt. In der Grundordnung ist im Jahre 2015 aus diesem Grund in Artikel 6 Absatz 3 die "Mitwirkung von tariffähigen Arbeitnehmerkoalitionen (Gewerkschaften) in den arbeitsrechtlichen Kommissionen des Dritten Weges" aufgenommen worden. Die Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission (AK) der Caritas wurde entsprechend angepasst, und für Gewerkschaften in der Bundes- und allen Regionalkommissionen wurden Sitze vorgesehen. Leider ist Verdi dem Aufruf der Caritas im letzten Jahr nicht gefolgt, sich mit Sitz und Stimme ab 2017 in der AK des Deutschen Caritasverbandes zu beteiligen. Der Marburger Bund war da aufgeschlossener und hat sich gleich alle Sitze gesichert. Chapeau! Und Verdi? Überlässt nolens volens das Feld und versucht ihr Glück auf anderen Wegen.
Verdi hat sich im Adressaten geirrt
Sinnvoller wäre es, wenn die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sich mit Sitz und Stimme an den AK beteiligen und sich im Schulterschluss mit den Krankenhäusern in der Politik für bessere Rahmenbedingungen einsetzen würde.