Live-in-Pflege
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat geurteilt: Für die Bereitschaftszeit einer sogenannten Live-in-Betreuungskraft besteht Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, auch wenn diese von einem ausländischen Arbeitgeber nach Deutschland entsandt wurde. Geklagt hatte eine Frau mit bulgarischer Staatsangehörigkeit, die von einem bulgarischen Unternehmen nach Deutschland entsandt worden war, um im Haushalt einer 90-jährigen Person die hauswirtschaftliche Versorgung, die pflegerische Grundversorgung und soziale Begleitung sicherzustellen. Im Arbeitsvertrag war eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vereinbart. Tatsächlich führte die Betreuungskraft an, rund um die Uhr gearbeitet zu haben oder in Bereitschaft gewesen zu sein. Das BAG hat klargestellt, dass es auf die gelebte Praxis ankommt und nicht auf das, was im Arbeitsvertrag steht. Das Urteil ist richtungsweisend für geschätzt 300.000 bis 600.000 Betreuungskräfte aus Polen, Rumänien, Bulgarien und weiteren Ländern, die wie die Klägerin in Haushalten in Deutschland leben und Betreuungsleistungen für Menschen mit Pflegebedarf erbringen.
Der Pflegebedarf ist immens und wird weiter steigen. Von den Ende 2019 mehr als vier Millionen Pflegebedürftigen werden circa 80 Prozent in der eigenen Häuslichkeit betreut, davon zwei Drittel ausschließlich durch eigene Angehörige. Es ist unklar, in wie vielen Haushalten die Versorgung tatsächlich innerfamiliär oder durch eine Live-in-Kraft stattfindet. Unumstritten ist, dass Deutschland zur Deckung des Bedarfs in der Pflege auf Arbeitsmigration angewiesen ist. Unseren Pflegebedarf dürfen wir jedoch keinesfalls auf Kosten der ausländischen Betreuungskräfte decken! Auch Pflegebedürftige und Angehörige, die Live-in-Care nutzen wollen, tragen Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Der DiCV Paderborn hat das Modell CariFair entwickelt, das unter anderem eine faire Bezahlung, geregelte Arbeitszeiten sowie Begleitung und Beratung durch einen Pflegedienst für die Live-in-Kräfte wie auch für die Pflegebedürftigen und ihre Familien beinhaltet.
Die Politik muss Anreize für faire und legale Beschäftigungsverhältnisse schaffen. Der unveröffentlichte Arbeitsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Pflegereform sah die Umwandlung von 40 Prozent der Pflegesachleistung zur Finanzierung von Live-in-Care vor, sofern die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Leider war diese Regelung in der nun verabschiedeten Reform nicht enthalten. Die kommende Bundesregierung muss sich dieses Themas annehmen!