Kita kann jeder?
Kindertageseinrichtungen arbeiten an der Grenze zur Kindeswohlgefährdung. Mit dieser Botschaft trat diesen Juni ein Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege an die Öffentlichkeit. Seitdem dreht sich vieles um die Frage: Welche Schäden tragen Kinder davon, wenn sie angesichts des Fachkräftemangels und der wenig akzeptablen Fachkraft-Kind-Relationen dennoch in eine Kita müssen?
Diese Entrüstungsrhetorik ist nicht fair, verunsichert Eltern und dient all denen als Steilvorlage, für die feststeht, dass durch den Ausbau der Kindertagesbetreuung eine ganze Generation in ihrer Entwicklung beeinträchtigt wird. Sie ist ein Affront gegen Erzieher(innen), die sich täglich mit hohem Engagement für die Belange und das Wohlbefinden von Kindern einsetzen.
Kein katholischer Träger einer Kita und schon gar nicht die pädagogischen Fachkräfte werden akzeptieren, dass die fachlichen Anforderungen an eine hochwertige Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern auf ein Niveau heruntergeschraubt werden, das nicht mehr zu verantworten ist. Individuelle Eingewöhnungskonzepte für jedes Kind, verlässliche Bezugspersonen, eine beziehungsvolle Pflege, wertschätzende Dialoge und Räume, die Sinneserfahrungen fördern - all dies sind Ansprüche, die das fachliche Profil unserer Kindertageseinrichtungen markieren.
Natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass dieses erklärte Niveau angesichts nicht akzeptabler Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen für viele Erzieher(innen) eine Strapaze darstellt. Da hilft es langfristig auch nicht weiter, wenn heute in nahezu allen Bundesländern die Fachkräftekataloge aufgeweicht werden, um ausreichend Personal zu bekommen. So können beispielsweise Grundschullehrer, Hebammen und Logopäden auf einen Job in einer Kita umsatteln, auf den sie in Fortbildungen vorbereitet werden, die aber keine Fachschulausbildung ersetzen. Hier kann und darf es sich nur um Übergangslösungen handeln, die verantwortbar zu gestalten sind.
Verantwortbar gestalten heißt beispielsweise, den ausgebildeten Fachkräften mehr Zeit für diese Kolleg(inn)en einzuräumen, damit diese qualifiziert begleitet werden. Und wir müssen die bereits gestarteten Maßnahmen fortsetzen, mit denen es gelingen soll, mehr Menschen für den Erzieherberuf zu gewinnen. Dazu gehört der Ausbau von Qualifizierungsangeboten für Quereinsteiger, mehr praxisintegrierte beziehungsweise dual aufgebaute Ausbildungsgänge, die deutlich interessanter sind.
Am dringendsten aber ist es in diesem Zusammenhang, den Beruf attraktiver zu gestalten, indem die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Die aufgrund des Fachkräftemangels umgesetzten Personalkonzepte müssen wir übergangsweise wohl hinnehmen. Die Alternative wäre gewesen, den Rechtsanspruch aufzuschieben. Dann aber läge der Ausbau der Kindertagesbetreuung bis auf weiteres brach. Und daran kann niemand ernsthaft interessiert sein.