Gelingt Trauern mit KI?
"Mein Leben ohne mich" ist der Titel eines Films aus dem Jahr 2003. Die 23-jährige Ann hat einen Mann und zwei kleine Töchter. Als sie erfährt, dass sie bald sterben wird, schreibt sie eine letzte To-do-Liste und regelt zugleich das Leben nach ihrem Tod: Sie sucht eine neue Frau für ihren Mann und bespricht Kassetten für die Geburtstage ihrer beiden Töchter bis zu deren 18. Lebensjahr.
Die Sehnsucht, möglichst viel von dem kostbaren Leben zu konservieren, ist alt: So hat man im alten Ägypten die Leichname der Pharaonen in Pyramiden verewigt, später die Asche der Verstorbenen zu Diamanten verarbeitet.
20 Jahre nach dem Film ist die Technik erheblich fortgeschritten: Ein neuer KI-Zweig möchte unter dem Namen "Grieftech" das Leben eines Menschen durch einen Avatar "verewigen". Noch zu Lebzeiten geben Menschen Interviews, mit denen dann später einmal auf dem Bildschirm anzutreffende Doppelgänger erschaffen werden. Man kann mit ihnen kommunizieren und interagieren - Bild und Stimme des Verstorbenen werden auf dem Bildschirm zum Leben erweckt. "Mein Leben ohne mich" - nur anders: Den Angehörigen soll die Trauer über den Verlust leicht gemacht werden.
Ich frage mich, ob diese Form des Trauerns nachhaltig ist - oder ob sie nicht am Ende eine gelungene Trauerarbeit verhindert, weil sie vorspielt, der Verstorbene sei immer noch erlebbar hier. KI ist sicher eine gute Unterstützung für Schwieriges im Leben. Aber sie ist kein Ersatz für das Leben beziehungsweise einen Menschen selbst. Gegenstände und Bilder mögen mich an einen Menschen erinnern und mir als Hinterbliebenem guttun. Aber die Verlust-Wunde kann nicht heilen, wenn ich nicht den Schmerz des Abschieds durchlebt habe. Kein "Denkmal" wird das "Leben ohne mich" wieder zu einem "Leben mit mir" machen können.
Die Antwort des Christentums auf die Frage "Wo ist mein Verstorbener jetzt?" ist in meinen Augen eine viel menschlichere: Den Abschied kann ich zwar nicht verhindern, aber ich weiß die Toten in den Händen Gottes aufgehoben, und zwar als Person, nicht als Dublette. Das ist übrigens gut mit moderner Trauerforschung vereinbar, die von "continuing bonds" spricht, also bleibenden Beziehungen. Sich in dieser Weise - also in Gott - mit den Verstorbenen verbunden zu wissen, darin liegt für mich eine echte Kunst zu trauern - echte Lebenskunst!