Die Wahlrechte erhalten
Vergabemodernisierungsgesetz, das klingt erst mal ganz weit weg. Aber das täuscht gewaltig. Ob hilfeberechtigte Bürger Wahlrechte haben, hängt wesentlich davon ab, ob und in welchem Umfang Vergaberecht bei sozialen Dienstleistungen zur Anwendung kommt. Dies tangiert auch die Stellung der Caritas. Ist sie Akteur mit eigenem Auftrag oder Auftragnehmer der öffentlichen Hand?
Es ist nicht alles schlecht im Gesetz, das der Bundestag im Dezember beschlossen hat. Gut ist, dass bei Verstößen gegen das Umwelt-, Arbeits- und Sozialrecht Bieter ausgeschlossen werden können. Oder dass es nicht allein auf den Preis, sondern auch auf Qualität ankommt. Wie wichtig dies ist, hat die Vergabepraxis der Bundesagentur für Arbeit leidvoll gezeigt.
Aber: In einem ganz entscheidenden Punkt ist das Gesetz ungenügend. Es geht um die Festlegung, wann überhaupt Vergaberecht anzuwenden ist. Das sollte dann geschehen, wenn der Staat Waren und Dienstleistungen einkauft. Transparente Verfahren sollen Willkür vermeiden, für Anbieter einen fairen Zugang zu staatlichen Aufträgen und Wirtschaftlichkeit sichern. Kauft der Staat Leistungen ein, ist Vergaberecht angemessen. Im Sozialbereich sind dessen Besonderheiten zu berücksichtigen.
Bei sozialen Dienstleistungen ist der Staat in aller Regel kein Einkäufer. Jedenfalls nicht in Deutschland, dessen Sozialstaat subsidiär gestaltet ist. Der Bürger entscheidet, wo er seinen Rechtsanspruch auf Hilfe einlöst, bei Caritas, Diakonie, AWO oder privat-gewerblichem Träger. Der Staat darf dem Bürger diese Entscheidung nicht abnehmen, sondern er soll sie ermöglichen, in dem er alle qualitativ guten Leistungserbringer zulässt. Geld erhalten sie nur in dem Umfang, wie sich Bürger für ihre Angebote entscheiden. Dies ist der Wettbewerb im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis.
Es bedurfte enormer Anstrengungen, dieses System in Brüssel so lange zu erklären, bis es in der EU-Vergaberichtlinie berücksichtigt wurde. Dieser geschaffene Freiraum wird nun im Gesetz nur ungenügend genutzt. Die Begründung spricht nun vom "sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis", nimmt dieses zwar vom Vergaberecht aus, schafft damit aber große Unsicherheit, wie künftig bei sozialen Dienstleistungen zu verfahren ist, die nicht dem Bereich der Sozialhilfe zuzuordnen sind. Wer in der Caritas mit Ausschreibungen konfrontiert wird, sollte sich rechtlich beraten lassen und das politische Vorgehen mit seinem Diözesan-Caritasverband abstimmen.
Vergabe als Regelverfahren bei sozialen Dienstleistungen würde unseren Sozialstaat verändern. Die Leistungsträger haben eine Stellung, die einem Nachfragemonopol gleichkommt. Wer ausschreibt, hat die Macht. Er allein bestimmt die Art der Hilfen, ihre Qualität, wie viele Anbieter er zulässt. Überall dort, wo Vielfalt der Anbieter sozialer Dienstleistungen möglich ist, können diese Entscheidungen den Bürgern überlassen werden. Auch für das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis gilt: Wettbewerb beschränkt Macht. Grenzen der Macht muss es auch für Leistungsträger geben.
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