Bevormundung oder nachhaltige Hilfe?
Dritter Adventssonntag. Ein schwarzer Mercedes hält vor einer Kirche im Sauerland. Zwei schludrig aussehende Männer steigen aus, setzen sich vor die Kirchtüren. Der Fahrer rauscht davon. Egal, ob im Sauerland oder in den Innenstädten dieser Republik: Die, die vorbeigehen, stellen sich immer dieselben Fragen: Soll ich was geben oder nicht? Warum bettelt dieser Mensch? Bettelt er für sich oder wird er abkassiert? Wo wohnen diese Menschen? Unterstütze ich mit meiner Gabe mafiöse Strukturen? Wie investieren die beiden meine Spende?
Wir im Caritasverband Altena-Lüdenscheid haben zwar keine Antworten. Aber wir hatten eine Idee. Seit Januar dieses Jahres können Bürgerinnen und Bürger in Kirchengemeinden, bei den Caritasgruppen und unserer Geschäftsstelle die "Wertmarke 1 Euro" kaufen. Für diese Wertmarken können Menschen, die Hilfe suchen, im Tagesaufenthalt unserer Wohnungslosenberatungsstelle zum Beispiel ihre Wäsche waschen, duschen oder Essen holen.
Dritter Adventssonntag. Ein schwarzer Mercedes hält vor einer Kirche im Sauerland.
Dass die Idee mit bislang rund 300 verkauften Gutscheinen Erfolg hatte, liegt an mehreren Faktoren.
- Menschen, die diese Wertmarke verschenken, wissen: Ich helfe mit meiner Spende konkret.
- Die Einrichtungen nehmen den Besuch der Hilfesuchenden zum Anlass, eine professionelle Beratung anzubieten, um dauerhaft zu helfen. Die ersten Monate zeigen: Oft ist der Gang zum Einlösen der Wertmarken tatsächlich der erste professionelle Hilfskontakt.
- Organisierte Bettler haben von diesen Wertmarken nichts, aber der Spender hat mit seinem Euro die Caritasarbeit unterstützt. Gleichzeitig können wir so zeigen, dass wir helfen und wie wir es tun.
- Zusätzlich hat die Aktion eine breite Diskussion in Öffentlichkeit, Politik und bei Sozialarbeitern ausgelöst. So weit sogar, dass österreichische Polizeibehörden die Kolleg(inn)en der dortigen Caritas und Diakonie darauf aufmerksam machten.
Wertmarken sind nachhaltiger als ein hingeworfener Euro
Kein Projekt ohne Kritik: Gegner halten uns zum Beispiel Bevormundung vor. Wir würden bettelnde Menschen dazu zwingen, sich beim Einlösen der Gutscheine outen zu müssen, würden die Stigmatisierung der Armut fördern. Bedenkenswerte Argumente, die ich – ganz ehrlich – auch nicht alle entkräften kann. Deswegen wird diese Hilfe wohl umstritten bleiben.
Unsere Haltung ist klar: Der Euro, der dem Bettler hingeworfen wird, ist lange nicht so nachhaltig wie die Wertmarken-Aktion. Auf diese Weise können wir Alkohol- und Drogenkonsum verringern und den Einstieg in nachhaltige Hilfen schaffen. Das sind Gründe genug, die Aktion fortzuführen. Darin bestärken uns auch die Bürger(innen), die Einrichtungen und Kirchengemeinden. "Wenn ich nichts gebe, habe ich ein komisches Gefühl. Wenn ich etwas gebe, aber auch." Diesen Satz hören wir oft beim Gutscheinverkauf. Wir können zu dem guten Gefühl verhelfen, Menschen in Not sinnvoll zu unterstützen. Diese bekommen übrigens bei uns Dusche, Kaffee und eine warme Mahlzeit auch ohne Gutschein.
Was meinen Sie? Schreiben Sie hier Ihren Kommentar
Caritas-Unternehmen sollten Nachhaltigkeit pflegen
Machtpoker geht auf Kosten der Behinderten
Der Motor der dualen Ausbildung stottert
Breite Zukunftsdebatte geht weiter
Jetzt wird Kontrolle wichtig
Erziehungshilfe mittendrin
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}