„Ich wäre besser früher gefahren“
Haushalt, Kinder, Job – eine Kur hilft, alles wieder unter die Beine zu bekommen.KNA / DCV
Petra D.* hat lange durchgehalten. Zu lange, denkt sie heute. Vielleicht wäre ihre Erschöpfung nicht so tief, ihr Nervenkostüm nicht so dünn geworden, wenn sie dem Gefühl, eine Mütterkur zu brauchen, früher nachgegeben hätte. Doch den richtigen Zeitpunkt für eine mehrwöchige Pause - weg von Mann und den zwei Söhnen - schien es nicht zu geben. Jahrelang lebte ihre Familie in einem Alarmzustand. Der begann, als der jüngste Sohn mit knapp einem Jahr schwer an der Bauchspeicheldrüse erkrankte. "Es folgten unzählige Krankenhausaufenthalte mit vielen Sorgen, bis er nach vier Jahren operiert wurde", erzählt Petra D. Der Sohn überstand die riskante Operation gut und kann nun ein relativ normales Leben führen. Doch die nervenaufreibende Zeit davor hatte bei Petra D. tiefe Spuren hinterlassen. Zumal sie im Haushalt und im Halbtagsjob funktionieren musste. Sie fühlte sich einem Burnout nah.
Aufschub für die nötige Auszeit
Nach der Operation des Jüngsten dachte sie an eine Mütterkur. Aber sie wollte weder allein fahren, noch dem Sohn zumuten, schon wieder von zuhause weg zu müssen. Erst nach anderthalb Jahren startete sie den ersten Versuch. Vergeblich. Die Krankenkasse lehnte ab. Petra D. wollte Widerspruch einlegen. "Aber dann wurde es beruflich bei meinem Mann schwierig. Es passte wieder nicht", erzählt sie. Außerdem hatte die Familie grade den ersten Urlaub zu viert gebucht. Was, wenn ein Termin genau in diese ersehnte Urlaubszeit fiel? Petra D. nahm ihre Bedürfnisse zurück. Wieder dauerte es Jahre, bis sie einen neuen Kurantrag stellte: "Da war ich am Limit." Diesmal genehmigte die Krankenkasse ihren Antrag und Petra D. nahm endlich die nötige Auszeit in einer Klinik für Mütter im Allgäu.
Versagensängste verlängern die Leidenszeit
So zögerlich wie Petra D. sind viele Frauen. "Es gibt Mütter, die ein oder zwei Jahre mit der Entscheidung ringen, den Kurantrag zu stellen", berichtet Beraterin Miriam Kokemoor von der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Müttergenesung. "Manche Frauen sehen sich als Versagerin, wenn sie ihren Alltag nicht bewältigen können." Eine scheinbare Schwäche, über die keine Mutter gerne spricht. Deshalb denken betroffene Frauen, sie wären die Einzigen, denen das so geht. Erst nach langer Leidenszeit handeln sie. In der Kurberatung werden dann alle Hebel in Bewegung gesetzt, doch den passenden Platz auf die Schnelle gibt es nicht immer. Deshalb empfiehlt Kokemoor, frühzeitig zur Beratung zu kommen, damit die Mütterkur oder Mutter-Kind-Kur möglichst optimal geplant werden kann.
Die Kliniken haben unterschiedliche Angebote mit und ohne Kinder und liegen in verschiedenen Regionen Deutschlands. Um das am besten geeignete Haus zu finden, versuchen die Beraterinnen im Gespräch zu ergründen, welche gesundheitliche und psychologische Hilfe die Frau besonders braucht. Bei Petra D. hat am Ende alles gepasst: "Ich war ziemlich befreit und gut erholt nach meiner Kur, aber es hätte mir sicher gut getan, wenn ich früher dorthin gegangen wäre."
*Name von der Redaktion geändert.