Einstellung und Ausbildung von geflüchteten Menschen in der Pflege
Integration am Arbeitsplatz.Anja Schaal
Im Folgenden werden zwei wichtige gesamtgesellschaftliche Trends thematisiert, die uns im Bereich der Fachkräftesicherung in der Pflege zum Handeln zwingen. Danach wird die Bedeutung der strategischen Entscheidung von Geschäftsführungen und Leitungskräften fokussiert.
Demografie und Migration als Rahmenbedingungen
Zwei gesamtgesellschaftliche Trends haben einen enormen Einfluss auf die Herausforderungen im Pflege-Arbeitsmarkt. Einerseits kommen durch den demographischen Wandel die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit (Babyboomer) in ein Alter, in dem Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität) eine deutliche Nachfrage von Gesundheitsleistungen verursachen. Gleichzeitig sinkt das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland und trifft schon jetzt den Pflege-Arbeitsmarkt besonders hart.
Der zweite strukturelle Trend sind globale Migrationsbewegungen. Es ist davon auszugehen, dass es immer wieder zu erhöhten Zahlen bei der Einwanderung kommen wird. Deutschland als Zielland von Migrationsbemühungen wird dabei aufgrund der guten Wirtschaftslage eine immer wichtigere Rolle spielen. Daraus folgt auch, dass die Gesellschaft vielfältiger wird. Und damit werden auch immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt Gesundheits- und Pflegeleistungen in Anspruch nehmen. Aktuell wird auf diese veränderten Bedarfe nur punktuell der Fokus gesetzt, da die bisher Tätigen im Gesundheitswesen und im Pflegebereich nicht hinreichend geschult sind.
Aus diesen beiden Trends lässt sich schlussfolgern, dass wir erstens viel mehr Pflegepersonal brauchen, als uns unter den bisherigen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht (Quantität). Zweitens brauchen wir weitere interkulturelle Kompetenzen auf Seiten des Pflegepersonals für diverse Patienten mit Migrationsbiographien (Qualität).
Eine strategische Entscheidung der Geschäftsführung!
Konfrontiert mit den obigen Rahmenbedingungen stellt sich die Frage, wie Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen reagieren sollen? Was muss die Geschäftsführung tun? Der erste und wichtigste Schritt ist vollumfassende Entscheidung seitens der Geschäftsführung auch geflüchtete Menschen in den Betrieb integrieren zu wollen. Nur wenn die Leitungsebene sich das Thema zu eigen macht und das hinter diesem Menschen liegende Potenzial erkennt, kann die berufliche Integration der Neu-Zugewanderten funktionieren. Geflüchtete Mitarbeitende - wie alle anderen auch - brauchen den Rückhalt der Belegschaft, brauchen eine Arbeitsklima, indem sie sich entfalten können. Mit einer klaren Haltung der Geschäftsführung können Skeptiker überzeugt und mit eingebunden werden.
Geflüchtete und Pflegeberufe: Immer auch eine Entscheidung der GeschäftsführungBirgit Betzelt / DCV
Verweise auf bereits bestehende, vielfältige Erfahrungen können dabei nützlich sein. Im Erzbistum Köln hilft dabei das Projekt "Willkommen Kollege! Willkommen Kollegin!", dass unter dem Dach der Aktion Neuen Nachbarn durchgeführt wird. Hier können sich katholische Dienste in ihrer Rolle als Arbeitgeber miteinander vernetzten, voneinander lernen und sich bei dem Prozess der Einstellung geflüchteter Menschen beraten lassen. Viele gute Beispiele finden sich in einer monatlichen Radio-Serie über katholische Arbeitgeber, die geflüchtete Menschen eingestellt haben. Das Projekt konzentriert sich auf die Besetzung von Ausbildungsstellen und die Entwicklung von Qualifizierungsbausteinen im Bereich der Pflege, Hotel/Gastronomie und Hauswirtschaft sowie Verwaltung. Dabei zeigt sich, dass es Sinn macht, einen ressourcenorientierten Ansatz bei der Einstellung Geflüchteter anzuvisieren. Ein Beispiel: Den Leitungskräften der Augustinus-Kliniken in Neuss ist die hohe Kompetenz der Geflüchteten im Umgang mit Demenzkranken aufgefallen. Beziehungsaufbau, Geduld, Respekt gegenüber Älteren und herzliche Berührungen scheinen in diesem Kontext viele unserer neuen Nachbarn mitzubringen. Und genau auf solche vielfältigen Kompetenzen, die unsere neuen Nachbarn im Gepäck haben, lohnt es sich zu achten!
Selbstverständlich gibt es auch Herausforderungen - besonders und immer noch im Bereich der Sprache und der (Schul-)Bildung. Hier empfiehlt es sich die diversen Unterstützungsmöglichkeiten aufzusuchen sowie diese untereinander zu vernetzen und auszubauen: Migrationsberatungsstellen, Qualifizierungsprojekte der Beschäftigungsförderung, Vermittlungsstellen, Flüchtlingsinitiativen, ehrenamtliches Mentoring, etc. Dies kann jedoch erst der zweite Schritt sein, nachdem eine bewusste und eindeutige Entscheidung für diesen Weg gefallen ist.
Die berufliche Integration von geflüchteten Menschen und der Fachkräftemangel in der Pflege stellen uns vor gesamtgesellschaftliche Herausforderungen, denen wir uns auf allen Ebenen stellen müssen. Mit der beherzten und professionellen Entscheidung geflüchtete Menschen einzustellen oder auszubilden wird der erste, grundlegende Schritt gemacht.