Interview mit Lisa Paus
Der Festakt zum Jubiläumsjahr der Caritas, an dem Sie teilnehmen werden, steht unter dem Motto "Himmel und Erde - #DasMachenWirGemeinsam". Was fällt Ihnen spontan dazu ein?
Als die Caritas vor 125 Jahren gegründet wurde, ging es darum, die vorherrschende Not der Menschen zu lindern und Arme zu schützen und zu stärken. Dieser Grundsatz ist heute aktueller denn je: Die akuten Krisen von der Corona-Pandemie über den Ukraine-Krieg, den Herausforderungen des Klimawandels bis hin zu den jetzt drastisch angestiegenen Kosten für Lebensmittel und Energie stellen eine große gesellschaftliche Herausforderung dar. Deshalb müssen wir alles dafür tun, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Die Caritas steht für diesen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und sie steht mit Sicherheit auch in Zukunft an der Seite derjenigen, die Unterstützung brauchen.
Staatliche Versorgungspflicht und Subsidiaritätsprinzip: In Deutschland delegiert der Staat die Wahrnehmung sozialer Aufgaben an die Freie Wohlfahrt. Wie sehen Sie dieses Spannungsfeld?
Das ist tatsächlich ein Grundprinzip unseres Sozialstaats: Was Einzelne, Familien oder Gruppen und Körperschaften von sich aus bewegen möchten, darf der Staat nicht an sich ziehen. Deshalb kommt der Freien Wohlfahrtspflege eine besondere Rolle zu. Sie ist mit ihren fast zwei Millionen hauptamtlichen Mitarbeitenden und rund drei Millionen Ehrenamtlichen eine tragende Säule unseres Sozialstaats. Gerade im Zusammenwirken mit öffentlichen Trägern sorgt die Freie Wohlfahrtspflege dafür, dass Hilfesuchende die für sie passende Unterstützung bekommen und trägt so zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei.
Die Caritas und die Freie Wohlfahrt müssen einen Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinnützigkeit leisten. Wie kann die öffentliche Hand sie dabei unterstützen?
Die Freie Wohlfahrtspflege übernimmt bundesweit einen Großteil der sozialen Arbeit. Sie ist das Gerüst unserer sozialen Infrastruktur und unterscheidet sich von gewerblichen Angeboten, die darauf angelegt sind, Gewinne zu erzielen. Das ist gerade in Krisenzeiten, in denen hilfebedürftige Menschen besonders auf niedrigschwellige Angebote angewiesen sind, eine wichtige Unterstützung. Als Bundesministerin setzte ich mich daher dafür ein, dass wir die Freie Wohlfahrtspflege auch aus Bundesmitteln in ihrer Arbeit unterstützen.
Klimakrise und Energiearmut betreffen vor allem finanziell Schwache: Wie können aus Ihrer Sicht diese tatsächlich nachhaltig gestützt werden?
Die gestiegenen Lebensmittelpreise und Energiekosten bringen besonders Familien in finanzielle Bedrängnis, da sie für ihren Lebensunterhalt mehr ausgeben als Haushalte ohne Kinder. Die gegenwärtige Situation verlangt gerade einkommensschwachen Familien viel ab. Daher erhöhen wir im kommenden Jahr sowohl das Kindergeld für alle Familien auf 250 Euro pro Kind als auch den Höchstbetrag des Kinderzuschlags gezielt für Familien mit kleineren Einkommen auf 250 Euro pro Kind. Den Kinderzuschlag erhalten Eltern zusätzlich zum Kindergeld, wenn ihr Einkommen zwar für den eigenen Lebensunterhalt reicht, aber nicht oder nur knapp für den ihrer Kinder. Der zum 1. Juli 2022 eingeführte Sofortzuschlag für Kinder von 20 Euro im Monat hilft bedürftigen Familien schon heute und kompensiert die gestiegenen Ausgaben. Durch das neue Bürgergeld sollen im nächsten Jahr auch die monatlichen Regelsätze für Kinder deutlich erhöht werden. Durch die geplante zweijährige Übergangszeit bei Wohnkosten und Vermögen ist der vorübergehende Bürgergeldbezug gerade auch für Familien mit Kindern weniger belastend. Diese zuverlässigen monatlichen Leistungen helfen Familien längerfristig und sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Kindergrundsicherung. Zusätzlich gibt es weitere Entlastungen für private Haushalte: Reform des Wohngelds, Heizkostenzuschüsse, Einmalzahlungen für Empfänger*innen von Sozialleistungen, einen Einmalbonus zum Kindergeld, die Energiepreispauschale für Erwerbstätige und für Rentner*innen sowie eine Einmalzahlung für Student*innen und Fachschüler*innen.