Das Projekt, das mit Mitteln der Clara-Stiftung gefördert wird, begann im Oktober vergangenen Jahres und soll die Vereinsamung älterer Menschen verhindern. Wie hoch der Bedarf in der heutigen Zeit ist, erkennt man daran, dass inzwischen bereits 104 Klienten durch die Lotsen betreut werden. "Wir bekommen die Hinweise auf einen eventuellen Hilfebedarf durch die verschiedensten Institutionen", sagt John. Das könne ebenso der Soziale Dienst eines Krankenhauses sein, wie entfernt lebende Kinder, Bekannte oder Nachbarn. Oft hieße es, die Leute machten sich Sorgen und die Caritas solle mal nach dem Rechten schauen. Dann nimmt sie Kontakt auf und vereinbart einen Termin zum Kennenlernen.
Ist der erste Eindruck dann so, dass tatsächlich Hilfe benötigt wird, treten die Lotsen auf den Plan: "Ich habe drei Klientinnen, wobei ich das Wort eigentlich fast zu sachlich finde", sagt der 68-jährige Bergenthal. Dienstags sei sein "Caritas-Tag", den er sich trotz vieler anderer Verpflichtungen gerne freihalte. Dann besuche er die Damen, nehme sich Zeit für intensive Gespräche und helfe ganz praktisch dadurch, dass er die Damen auch mal zu Arztterminen oder zum Einkaufen begleite.
Diese Haltung sei vollkommen in Ordnung, erklärt John. Die Lotsen seien wirklich nur zum Kümmern da und dürfen sich selbst nicht überfordern. So seien sie auch keine Putzkräfte, oder Pfleger, sondern hielten primär Kontakt und ermittelten den Hilfebedarf. "Wir kommen ja alle aus verschiedensten Berufen und sind keine Experten", sagt Bergenthal. Doch durch das Caritas-Netzwerk habe er jede Hilfe erfahren.
Die 66-jährige Risse kümmert sich um sieben Klienten und nimmt dieses Ehrenamt ebenfalls mit großer Freude wahr. "Die Chemie zwischen dem Lotsen und den Senioren muss dabei aber stimmen", sagt die agile Frau, denn die Aufgaben seien oft nicht gerade einfach."Wenn sich jemand selbst nicht mehr optimal helfen kann, dann gehört auch etwas dazu, sich und anderen diese vermeintliche Schwäche einzugestehen", sagt John.
Bergenthal bringt ein Beispiel: Eine seiner Klientinnen sei eine 88-jährige Dame, die ganz allein in einem Zweifamilienhaus lebt. Körperlich sei sie zwar stark eingeschränkt, aber geistig topfit. "Ob Brexit oder Bundespolitik, mit ihr können sie über alles auf Augenhöhe diskutieren", sagt der Lotse und strahlt förmlich. Bei dieser Dame sei der erste Blick auf die Lebenssituation fürchterlich gewesen: Sie habe kaum das Haus verlassen können und die Wohnung hätte schlimm ausgesehen.
Dann habe er die Dame mithilfe der Caritas über verschiedene Hilfen informiert und inzwischen habe sich alles enorm gebessert. Nun habe die Frau sogar Interesse an einem Umzug in eine barrierefreie Wohnung, oder eine Senioreneinrichtung gezeigt. Daraufhin habe er sich mit ihr über Fördermöglichkeiten erkundigt und bereits einige Einrichtungen in Augenschein genommen.
Risse kennt auch Fälle, bei denen die Lotsen als Helfer von außen gefragter seien, als enge Angehörige: "Wenn es um eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht geht, dann wollen viele ihre Kinder nicht damit belasten", so Risse-Frühjahr. Bis das Vertrauen soweit gewachsen sei, handele es sich oft um einen längeren Prozess. "Für unser Ehrenamt sind zwei Dinge enorm wichtig", erklärt Bergenthal. Zumeinen sei das die Freude am Umgang mit Menschen, und zum anderen das GMV-Prinzip. Auf die Rückfrage nach dem Prinzip sagt er lachend, das Kürzel stehe für "gesunder Menschenverstand". Wenn man das beherzige und auch mal auf die Zwischentöne achte, habe man als Lotse eine wundervolle Aufgabe, bei der man auch enorm viel zurückbekomme.
Risse erklärt, sie fände es auch faszinierend, was sie selbst dazu lerne: Einmal hätten die Lotsen mit Frau John eine Einrichtung besucht und bei einer Sitztanzgruppe mitgemacht. "Da sind wir richtig ins schwitzen gekommen, da hätte ich nicht mit gerechnet", sagt die Lotsin lächelnd.
Kontakt
Ältere Menschen und Familien, die die Hilfe im Hammer Osten in Anspruch nehmen möchten, aber auch Ehrenamtliche, die in diesem Projekt mitarbeiten wollen, können sich an das Lotsen-Telefon 144-144 der Caritas wenden.
Aufgrund der Nachfrage sind interessierte, potenzielle Lotsen immer gerne gesehen. Wer die Tätigkeit kennenlernen möchte, kann sich - ebenso wie Menschen, die einen potenziellen Klienten melden möchten - bei Ulrike John unter der Telefonnummer 144 140, oder per E-Mail an john@caritas-hamm.de melden. (WA Peter Körtling)