Fluten, Hitze, Stürme – Häufige Wetterextreme als Folge des Klimawandels
Bilder wie die, die Mitte Juli aus den deutschen Hochwassergebieten um die Welt gingen, kennt man eigentlich eher aus Ländern wie Bangladesch, Mosambik, Indien oder aus der Karibik. Von dort mehren sich seit Jahren die Schreckensmeldungen über Monsunregen, Wirbelstürme und Überschwemmungen - mit dramatischen Zerstörungen und zahlreichen Opfern als Folge.
Doch nicht nur dort, sondern in allen Regionen der Welt kommen Waldbrände, Hitzewellen, Dürren oder Überschwemmungen inzwischen häufiger und intensiver vor. In naher Zukunft werden solche Wetterextreme immer wahrscheinlicher. So lautet, unter anderem, die erschreckende Prognose von über 200 Expert_innen des Weltklimarats (IPCC), der am 9. August den ersten Teil des nunmehr sechsten Sachstandsberichts veröffentlichte. "Die Ergebnisse (...) führen uns schonungslos vor Augen, dass sich die Klimakrise immer schneller verschärft", sagt hierzu Malte Hentschke-Kemper, stellvertretender Geschäftsführer der Klima-Allianz Deutschland, zu der auch Caritas international gehört. "Extremwetterereignisse werden immer häufiger und gefährlicher, wie wir in den letzten Wochen mit Starkregen und Hochwasser in Deutschland sowie mit den Waldbränden und extremer Hitze im Mittelmeerraum erleben mussten."
Man kann ein einzelnes Hochwasser, wie das am 14. Juli in Deutschland, allerdings nicht ausschließlich dem Klimawandel zuschreiben - denn die Wirkungsketten, die aus Wetterextremen eine Katastrophe solchen Ausmaßes machen, sind komplex. Doch was das Unglück ohne Zweifel zeigt, ist: der Anpassungsbedarf - also die Vorsorge, um mit diesen steigenden Risiken fertig zu werden - ist enorm.
Ein Wechselspiel der Extreme
Wie zwei Seiten einer Medaille gehören zu Hitzewellen und Dürren, Starkregen und Fluten. Während der Grundwasserspiegel nach sehr trockenen Jahren sinkt und der Boden kaum mehr Feuchtigkeit in den tiefen Schichten halten kann, verdichtet sich die Erde an der Oberfläche und lässt plötzlichen Starkregen einfach abfließen. Bäche oder Talsohlen schwellen zu reißenden Flüssen an und treten über die Ufer. Je enger das Tal und je größer das Einzugsgebiet, desto schneller steigt der Pegel. Die Versiegelung der Landschaft, die künstliche Begradigung von Wasserläufen und die Verhärtung der Ackerböden für die Landwirtschaft tragen ihr Übriges dazu bei, dass die Wassermassen nicht mehr ausweichen können und letztlich Gärten, Häuser, gar ganze Kleinstädte fluten.
Solche Naturgewalten werden vor allem dann zu Katastrophen, wenn sie Menschenleben einfordern. Meistens trifft es diejenigen, die ohnehin schon verwundbar sind. Beispielsweise Alte und Kranke, die nicht mobil genug sind, um schnell genug vor dem Wasser zu fliehen. Oder arme und nicht privilegierte Personen, die in fragil gebauten Häusern wohnen oder gar schutzlos auf der Straße.
Es trifft die Schwächsten
Zu Opfern von Naturgewalten können aber auch jene werden, die schlecht oder zu spät informiert wurden. Die Flutkatastrophe in Deutschland ist deswegen, neben allem Leid, das sie verursacht hat, vor allem auch eine Warnung: Es braucht verbesserte Frühwarnsysteme, die von den Menschen zeitig empfangen und verstanden werden - und denen sie vertrauen. Eine wirksame Katastrophenvorsorge besteht zudem in einem funktionierenden sozialen Miteinander, in dem die Menschen aufeinander Acht geben, sich um Nachbarn und um Menschen am Rand der Gesellschaft kümmern und den Notfall trainiert haben. Auch die Notwendigkeit schneller und erfahrener Humanitärer Hilfe bei derartigen Katastrophen steigt.
Bedarf an humanitärer Hilfe steigt
Caritas international hat viel Erfahrung mit der Nothilfe infolge von Naturkatastrophen. Seit Jahren kümmert sich das Hilfswerk weltweit um die Betroffenen von Flut und Dürre und unterstützt Menschen dabei, resilienter gegen die Folgen des Klimawandels zu werden.
Die Lage in den deutschen Flutgebieten erinnert an andere Katastrophengebiete auf der Welt, in denen Caritas international tätig ist. Beispielsweise in Mosambik, wo 2019 der Wirbelsturm "Idai" weite Teile des Landes zerstörte, oder in Bangladesch, wo zur Monsunzeit infolge zunehmender Starkregen und abgeholzter Wälder im Himalaya nahezu jährlich ganze Landschaften überflutet werden.
Ein zerstörtes Haus ist ein zerstörtes Haus, ob aus Lehm, aus Fachwerk oder aus Ziegeln gebaut. Der Verlust des Zuhauses ist existentiell, gleich wo auf der Welt. Allerdings sind die sozialen Sicherungssysteme von Region zu Region unterschiedlich stark oder schwach ausgeprägt. Das Verzeichnis ökologischer Bedrohungen 2020 (ETR) schätzt, dass 31 Länder nicht widerstandsfähig genug sind, um die ökologischen und politischen Veränderungen aufzufangen, denen sie künftig ausgesetzt sein werden. Schlimmstenfalls könnten weltweit bis zum Jahr 2050 über eine Milliarde Menschen ohne Zuhause sein.
Die vergangenen Tage und Jahre haben uns als Hilfswerk gezeigt: Die Aufgaben der Humanitären Hilfe nehmen mit den Klimafolgen zu. Mit jedem Einsatz wächst aber auch die Expertise. Wenige Tage vor der Flutkatastrophe in Deutschland schrieb Oliver Müller, Leiter von Caritas international, zur Auslandshilfe bei klimabedingten Katastrophen: "Caritas international sieht einen enormen Bedarf an professioneller Sozialarbeit auf sozialräumlicher und gemeindebasierter Ebene, um Katastrophenvorsorge in den Gemeinden, Schulen, Arbeitsstellen oder Nachbarschaften dauerhaft zu verankern.”
Ob in Mosambik, Haiti oder Deutschland: Die Caritas setzt sich weltweit dafür ein, dass der Katastrophenschutz soziale Belange im Blick behält.
Fünf Ratschläge für die Klimasicherheit
Die Klimasicherheit von Gemeinden und Städten in Deutschland braucht ein neues Fundament. Das erklärten Mitte Juli 22 Wissenschaftler_innen unter der Koordination des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Das Statement enthält fünf Hauptaufgaben, die die Expert_innen als unverzichtbar für die Klimasicherheit von Kommunen und Städte halten:
1. Stärkere Frühwarnsysteme, die von der Bevölkerung verstanden werden.
2. Landschaften, die Wasser besser speichern und Hochwasser abpuffern, zum Beispiel durch Deiche, Polder und Auen sowie Grünflächen in Städten.
3. Eine klimasichere Infrastruktur bei Gebäuden sowie bei der Wasser- und Stromversorgung.
4. Erhöhte Schutzstandards insbesondere bei Einrichtungen für verletzliche Gruppen wie Kinder, Kranke, Senior_innen und Menschen mit Behinderung.
5. Den Willen zur Kooperation und Solidarität bei allen Akteur_innen zur Gestaltung von Landschaften und Siedlungsflächen, die das Überflutungsrisiko mindern können.